öffentlicher Nahverkehr

Donnerstag, 2. August 2007

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Eine Gruppe Dänen in der S-Bahn. Einer trägt ein Trikot der polnischen Fußballnationalmannschaft und komische gelöcherte Gummischuhe, die es dieses Jahr überall zu kaufen gibt. Bisher dachte ich, dass das inflationäre Auftauchen dieser Schuhe, die ich bisher für eher überflüssige Gartenarbeit-Sandalen gehalten habe, einer Fehlkalkulation der Schuhindustrie geschuldet sei. Offensichtlich sind sie aber gar nicht zur Gartenarbeit gedacht, sondern sollen die Füße normaler Menschen bekleiden. Kurz nach dem Dänen sah ich eine Frau, die ähnliche Schuhe trug, allerdings in grau.
Auf der Kappe eines anderen Dänen stand Motoguzzi, ich las mehrmals, das liegt auch wirklich auf der Hand und ist nicht besonders originell, Motofuzzi.
Später saß mir eine Frau gegenüber, die in einer russischen Zeitung blätterte. Dabei fällt mir ein, dass heute morgen eine andere Frau, die mir in der Bahn gegenüber saß, aufmerksam in einem zerknitterten Exemplar von Linden-Center Aktuell las. Aber das nur am Rande. Die Frau mit der russischen Zeitung hatte einen Stoffbeutel dabei, der dem Aufdruck links oben in der Ecke nach aus dem Deutschen Bundestag stammte, und auf dem in großen schwarzen, roten und gelben Buchstaben der Spruch "Auf den Inhalt kommt es an" stand.
Ja, genau, Inhalt.
Eigentlich wollte ich heute hier einen Ausflug nach Steglitz dringend empfehlen, aber das mache ich ein anderes Mal.

Dienstag, 24. Juli 2007

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Abends in der S-Bahn. Eine Gruppe Mädchen steigt ein, aufgekratzt, aufgebrezelt und sehr laut. Ein Mann und ein Junge, der ungefähr im gleichen Alter ist wie die Mädchen sitzen zu zweit auf einem Vierer. Der Mann betrachtet die Mädchen interessiert und sagt dann: "Früher hätten wir gesagt, die sind vom KIM, weil die so gegackert haben wie Hühner. Aus dem Kombinat industrielle Mast. Die Hühner da haben dann allerdings nicht mehr so lang gegackert, denen wurde der Hals umgedreht." Er lacht. Der Junge guckt teilnahmslos aus dem Fenster.

Donnerstag, 7. Juni 2007

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Der Penner, der sich mir in der U-Bahn gegenüber gesetzt hat, fragt mich, ob ich Klavierspielen gelernt hätte. Ich habe keine Lust, ihm zu antworten, er hat eine Fahne und starrt mich an, also schüttle ich den Kopf anstatt die Wahrheit zu sagen. Daraufhin erklärt er mir, dass ich echte Pianistenhände habe, sehr schön seien die und genau richtig groß (was nicht stimmt. Ich muss große Akkorde immer zusammenkürzen, weil meine Finger nicht lang genug sind). Er habe mal Klavierunterricht gehabt, sagt er und zeigt mir seine Finger. "Und guck mal, wie knochig die sind!"
Dann wird er vorwurfsvoll. "Ich würd mal sagen, das ist eine Verschwendung von Potenzial bei dir!" sagt er, und das wiederholt er noch einige Male, bis ich an der nächsten Station aussteige.

Dienstag, 5. Juni 2007

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Schreckliches morgendliches Ringbahnfahren, alle stehen und sitzen betonfest, keiner rührt sich einen Millimeter zur Seite, alle schauen einander vorwurfsvoll an oder mustern sich gegenseitig mit fast obszöner Neugier. Am meisten angestarrt wird der gehörlose kleine Junge, der an der Tür steht und vor sich hin singt. Fast böse starren sie ihn an. Seine Mutter trägt ein Kopftuch und erzählt ihm etwas in Gebärdensprache, das macht die Betonmenschen noch misstrauischer. Als auf einem Vierer die beiden Fensterplätze freiwerden, versuchen Mutter und Sohn, sich dort hinzusetzen. Die beiden Frauen, die auf den Gangplätzen sitzen, rücken kein Stück zur Seite, um die beiden durchzulassen. Als die Mutter, die Probleme hat, ihren Sohn auf einen der Plätze zu setzen, mit dessen Schulranzen gegen ein rosa Betonknie stößt, grunzt die dazugehörige Dame vorwurfsvoll. Ich bin so wütend, dass ich fast vergesse, dass mich vor ein paar Stationen ein Typ, der neben mir stand, dauernd am Hintern und an den Oberschenkeln angefasst hat; erst dachte ich, das sei ein Regenschirm von irgendwem (unangenehm genug), als ich mich umdrehte, war da kein Schirm sondern nur ein Typ, der mich anglotzte, und das auch noch, nachdem ich von ihm abgerückt war. Er stieg an der nächsten Station aus und stand immer noch glotzend am Bahnsteig, als die S-Bahn weiterfuhr.
Manchmal will ich alles in ganz, ganz kleine Stückchen hauen.

Sonntag, 3. Juni 2007

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Diese zackige Handbewegung, mit der der Kontrolleur mir wortlos bedeutet, die Fahrkarte umzudrehen um zu sehen, ob ich auch wirklich berechtigt bin, sie zu besitzen.

Freitag, 9. März 2007

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Dem wohl drohenden Trend der Achtsamkeit und Gelassenheit möchte man schon aus Trotz eine Kultur der Nervosität und der schlechten Laune entgegensetzen.
Und, obwohl das schon gestern war: musste den Versuch eines SPD-Menschen, mir am Eingang zum U-Bahnhof eine rote Rose in die Hand zu drücken, beinahe körperlich abwehren. Ich war anscheinend die Einzige, die nicht wollte: ungefähr 15 Frauen im U-Bahnwagen hielten ein mit SPD-Fähnchen verziertes Röslein in der Hand. Sah ein Knab ein Röhösleihein stehn... Also echt. War froh, als ich zwei Stationen später wieder im Westen war, wo dieser Quatsch nicht zur Tradition gehört. Falls sich das auch dort durchsetzen sollte, müsste man den Frauentag abschaffen. Blümchen statt Politik, das ist wirklich super.

Mittwoch, 21. Februar 2007

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Dönerfressende Jugendliche, eine Festnahme, ein händchenhaltendes Paar in BVG-Uniform, aufdringliche Tierschutz-Drücker ("Sind Sie auch Tierfreundin?"): drei Minuten Warten am U-Bahnhof Hermannplatz.

Donnerstag, 30. November 2006

Donnerstag

11 Fläschchen Fleckenteufel stehen auf der Fensterbank eines mir bis heute unbekannten Badezimmers, fein säuberlich nebeneinander aufgereiht, wie Spielzeugfigürchen in einem übermäßig aufgeräumten Kinderzimmer.
Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Fleck in meiner Kleidung mit irgendeinem Fleckenmittel behandelt. Vielleicht habe ich etwas verpasst.

In der U-Bahn setzten sich mir zwei Damen gegenüber, Engländerinnen um die 60, sie waren wohl Touristinnen, ihre Männer blieben stehen und starrten, ohne miteinander zu sprechen, aus zwei verschiedenen Fenstern. Die Damen studierten den U-Bahnplan und übten sich in der Aussprache der Stationsnamen. Beide sahen sehr verschieden aus, die eine, die den Plan in der Hand hielt, war groß, dunkelhaarig und trug eine Brille, die andere war klein, dünn und blond. Plötzlich lachten sie beide gleichzeitig, sie waren, anders als ihre Männer, sehr vergnügt. Beide hatten an der gleichen Stelle im Oberkiefer eine Zahnlücke.

Montag, 28. August 2006

S-Bahn

"Ja, ich such ne Wohnung", ruft sie in ihr Telefon, und der ganze Wagen hört ihr zu. "Also eher ein WG-Zimmer, das ist glaub ich cooler." Sie scheint sich an der zuhörenden Anwesenheit der anderen Fahrgäste nicht zu stören. "Ich hab mir jetzt ein paar angeguckt, aber das ist ja auch ein bisschen schwierig. Also jemanden zu finden, mit dem man auch zusammenpasst." Pause. "Ja ich hab schon welche angeguckt." Pause. "Ja, gestern, bei zwei Mädels, die waren total nett. Aber ich will da nicht einziehen." Pause. "Die eine ist bi und die andere lesbisch. Das brauch ich mir echt nicht anzutun. Also die waren total nett, aber wer weiß, was da abgeht. Naja, mal gucken." Sie steigt aus. Zum Vorstellungsgespräch bei einer Cateringfirma an der Messe, das haben wir auch erfahren dürfen.
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Später fragt das sechzehnjährige Nachhilfegör, was ich eigentlich dann bin, wenn ich mit der Uni fertig bin. "Magister". "Was ist das?" "Halt ein Abschluss." "Und welchen Beruf kannst du dann?" "Keinen speziellen." "Und was machst du dann?" "Irgendwas werd ich schon arbeiten." "Ist doch auch scheiße, erst so lange studieren, und dann bei Mc Donald's verkaufen oder so. Würd ich ja nie machen."

Montag, 17. Juli 2006

Andere Leute

In der Straßenbahn, morgens, steigt ein älteres Paar ein, beide sind vielleicht Mitte 60, weißhaarig, schlank, sommerlich gekleidet. Die Frau mit ihren akkurat auf Kinnlänge geschnittenen Haaren setzt sich neben mich und verströmt einen Geruch nach aufdringlichem Duschzeug, kein teures Parfum, ein Geruch, der billiger ist und penetranter als dezenter Schweißgeruch, der überdeckt werden soll. Ihr Mann trägt eine helle kurze Hose und eine Brille und kauft Fahrkarten. Nachdem er sie entwertet hat, steckt er beide in seine Brusttasche. Er stellt sich neben seine Frau. „Setz dich doch!“ sagt sie, ein wenig vorwurfsvoll, und deutet auf einen freien Platz schräg gegenüber. Er runzelt die Stirn und brummt: „Wir steigen doch gleich wieder aus“, setzt sich dann aber doch. Schaut dabei aber wiederum vorwurfsvoll seine Frau an. Wahrscheinlich ist er froh darüber, dass er sich gesetzt hat, als die Bahn lange an der Kreuzung warten muss, viel zu lange, wie seine Frau wohl findet, die zunehmend unruhig wird neben mir. Sie starrt, mit gerunzelter Stirn, in seine Richtung. Am Alex steigen sie aus. Ich auch. Hinter ihnen gehend kann ich ihren knappen Wortwechsel nicht verstehen, aber beider Tonfall klingt angestrengt. Ich will nie so werden, denke ich, nie so vorwurfsvoll und latent verbittert an einem so schönen Tag, an dem der Himmel so schön blau ist, und nie will ich nach penetrantem Duschzeug riechen, als der Mann seine Hand in Richtung Frau ausstreckt. Gerade will ich meine Gedanken zurücknehmen, in meiner morgendlichen Trägheit diese Geste als immerhin freundschaftlich, wenn nicht gar, in einem Anflug von sommerlicher Verklärtheit, als liebevoll deuten, da drückt sie ihm wortlos den Einkaufsstoffbeutel in die ausgestreckte Hand. Dann biegen die beiden zum Kaufhaus ab und verschwinden aus meinem Blick.

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