Im roten Zug
Wenn der Zug vorbeifährt, kommt Leben in das Gras und in die Schmetterlinge. Die wirbeln dann wild durcheinander, obwohl es nur ein Regionalexpress ist, der vorbeikommt. Ein roter Regionalexpress, Ober- und Unterdeck voller unbequemer blauer Sitze, ohne Gepäckablage und meistens überfüllt. Oder aber ganz leer. So wie heute. Wenn ich im Zug sitze und wegfahre von zuhause, dann will ich oft nicht, würde lieber dableiben, ohne, dass ich sagen kann wieso. Denn der Bahnhof ist schon so eine Art Zwischenreich, ein Ort, den ich nie aufsuchen würde, wenn ich nicht verreisen wollen würde, und es fällt mir bestimmt nicht schwer, den Bahnhof zu verlassen, der irgendwie gar nicht mehr zur Stadt dazugehört.
Aber dann der Regionalexpress! Das Wetter wird schön, sobald er aus der Stadt raus ist, und alles flattert entlang der Schienen, und ich habe das Gefühl, dass auch in mir alles flattert, alles, was passiert ist, seit ich das letzte Mal draußen war aus der Stadt versammelt sich gleichzeitig in meinem Hirn und wirbelt durcheinander. Als würde sich alles neu ordnen wollen, mit dem Ortswechsel, dabei fahre ich doch nur ein paar Tage weg. Mit dem langsamen Zug. Für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Bahn etwas ganz Perfides ausgedacht. Vielleicht gibt es das in anderen Bundesländern auch, aber woanders ist es mir noch nie aufgefallen. Jedes der drei Bundesländer hat eine Erkennungsmelodie bekommen, eine Fanfare aus Volksliedanfang, die vor jeder Bahnhofsansage aus dem Lautsprecher schmettert. In Mecklenburg-Vorpommern handelt es sich um das Mecklenburg-Lied, das die Mecklenburger auch in der Grundschule lernen mussten; Informanten, die in Berlin und Brandenburg in die Schule gegangen sind, konnten die jeweilige Melodie ihres Bundeslandes nicht identifizieren, weshalb ich vermute, dass es sich also wahrscheinlich nicht um spezifische Berlin- oder Brandenburg-Lieder handelt, sondern um irgendwelche beliebigen Liedchen. Diese Teilmelodien schallen also vor jedem Bahnhof aus dem Lautsprecher: „Düdüdüdüdüdüdüdüühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen!“ Oder „Düdüdühüdüdüdüühühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Oranienburg!“ oder aber „Düdüdüdüdü-ühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Neustrelitz!“. Man weiß also immer, in welchem Bundesland man sich gerade befindet, was an sich eine feine Sache ist. Aber wenn der Zug dann innerhalb einer Stunde zum ca.14. Mal in Brandenburg hält, spätestens dann wird es ein wenig lästig. Denn eigentlich hatten sich ja gerade die Gedanken aufgemacht, um loszuflattern und sich in neuen Gebilden wieder zusammenzusetzen, vom Gefühl der Reise beflügelt, die Stadt hinter sich lassend. Und wenn ich aus dem Zugfenster schaue und im sonnigen Augustlicht das Gras neben den Schienen wehen sehe, gerade beginne, die allerersten Zugreisenden zu verstehen, die auf für heutige Begriffe sehr langsamen Eisenbahnfahrten das Gefühl hatten zu fliegen, wenn ich mich einer gewissen Romantik, die der Ortswechsel mit dem Zug, aus welchem Grund auch immer, doch irgendwie mit sich bringt, nicht verwehren kann, dann tönt es aus dem Lautsprecher: „Düdüdüdüdü-ühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Neubrandenburg. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“ Und dann, ohne dass ich es will, verschwindet die kleinste Spur von großem Gefühl, und ich wünsche mich ganz schnell, und zwar ohne Zwischenhalt, in die große Stadt zurück.
Aber dann der Regionalexpress! Das Wetter wird schön, sobald er aus der Stadt raus ist, und alles flattert entlang der Schienen, und ich habe das Gefühl, dass auch in mir alles flattert, alles, was passiert ist, seit ich das letzte Mal draußen war aus der Stadt versammelt sich gleichzeitig in meinem Hirn und wirbelt durcheinander. Als würde sich alles neu ordnen wollen, mit dem Ortswechsel, dabei fahre ich doch nur ein paar Tage weg. Mit dem langsamen Zug. Für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Bahn etwas ganz Perfides ausgedacht. Vielleicht gibt es das in anderen Bundesländern auch, aber woanders ist es mir noch nie aufgefallen. Jedes der drei Bundesländer hat eine Erkennungsmelodie bekommen, eine Fanfare aus Volksliedanfang, die vor jeder Bahnhofsansage aus dem Lautsprecher schmettert. In Mecklenburg-Vorpommern handelt es sich um das Mecklenburg-Lied, das die Mecklenburger auch in der Grundschule lernen mussten; Informanten, die in Berlin und Brandenburg in die Schule gegangen sind, konnten die jeweilige Melodie ihres Bundeslandes nicht identifizieren, weshalb ich vermute, dass es sich also wahrscheinlich nicht um spezifische Berlin- oder Brandenburg-Lieder handelt, sondern um irgendwelche beliebigen Liedchen. Diese Teilmelodien schallen also vor jedem Bahnhof aus dem Lautsprecher: „Düdüdüdüdüdüdüdüühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen!“ Oder „Düdüdühüdüdüdüühühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Oranienburg!“ oder aber „Düdüdüdüdü-ühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Neustrelitz!“. Man weiß also immer, in welchem Bundesland man sich gerade befindet, was an sich eine feine Sache ist. Aber wenn der Zug dann innerhalb einer Stunde zum ca.14. Mal in Brandenburg hält, spätestens dann wird es ein wenig lästig. Denn eigentlich hatten sich ja gerade die Gedanken aufgemacht, um loszuflattern und sich in neuen Gebilden wieder zusammenzusetzen, vom Gefühl der Reise beflügelt, die Stadt hinter sich lassend. Und wenn ich aus dem Zugfenster schaue und im sonnigen Augustlicht das Gras neben den Schienen wehen sehe, gerade beginne, die allerersten Zugreisenden zu verstehen, die auf für heutige Begriffe sehr langsamen Eisenbahnfahrten das Gefühl hatten zu fliegen, wenn ich mich einer gewissen Romantik, die der Ortswechsel mit dem Zug, aus welchem Grund auch immer, doch irgendwie mit sich bringt, nicht verwehren kann, dann tönt es aus dem Lautsprecher: „Düdüdüdüdü-ühü. Wir erreichen jetzt den Bahnhof Neubrandenburg. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“ Und dann, ohne dass ich es will, verschwindet die kleinste Spur von großem Gefühl, und ich wünsche mich ganz schnell, und zwar ohne Zwischenhalt, in die große Stadt zurück.
Mlle Händel - 16. Aug, 21:48
neo-bazi - 17. Aug, 12:50
Eigenartig. Für mich haben Bahnhöfe, mehr noch als Flughäfen, große Anziehungskraft und ich verdanke ihnen manch reizvolle Begegnung. Züge und Flugzeuge liebe ich dagegen nicht, egal ob hinaus oder heim.
und³ (Gast) - 17. Aug, 14:57
ganz recht. (ich habe die vermutung, dass die gebrüder jamba dahinterstecken.)
Mlle Händel - 18. Aug, 22:17
Die Erkennungsmelodien als Klingelton: das gäbe eine herrliche Verwirrung, wenn in Pasewalk im Zug dann ein Handy mit der Berlin-Melodie loslegt.
pollymere (Gast) - 17. Aug, 19:42
in rheinland-pfalz und hessen gibt es das nicht. hoffentlich bleibt das auch so.
bahnhöfe finde ich btw. ziemlich klasse. da herrscht so eine schöne aufbruchstimmung. vor kurzem hopste ich in Ffm aus dem zug und auf dem gleis gegenüber stand ein direkter zug nach Wien. manchmal würde ich gerne spontan da einsteigen und einfach losfahren. aber man ist ja vernünftig. seufz.
bahnhöfe finde ich btw. ziemlich klasse. da herrscht so eine schöne aufbruchstimmung. vor kurzem hopste ich in Ffm aus dem zug und auf dem gleis gegenüber stand ein direkter zug nach Wien. manchmal würde ich gerne spontan da einsteigen und einfach losfahren. aber man ist ja vernünftig. seufz.
Mlle Händel - 18. Aug, 01:50
Ffm, da komm ich her, und da wollte ich auch immer nur weg, insofern kann ich das mit den Bahnhöfen nachvollziehen. Aber der Frankfurter Hauptbahnhof ist auch wesentlich größer und inspirierender als die Berliner Bahnhöfe.
FLIEGE